Aaah, Webcomics. Sie haben mich durch die letzten Jahre meiner Schulzeit gebracht. Kein Tag verging ohne sie: Freefall, Userfriendly, Bruno the Bandit und wie sie alle hießen. Irgendwann waren sie jedoch alle zuende, machten eine Pause, gaben zu, dass alles geklaut war oder ich verlor einfach nur das Interesse. Nun hat mich irgendwann die Sucht wieder gepackt und entschloss mich, nachzusehen, was aus den alten Sachen geworden wäre. Ich begann mit einem und las mich gleich wieder fest. Aus diesem Grund möchte ich nun hier einige Comics vorstellen, die ich in letzter Zeit gelesen habe und für empfehlenswert halte.
Zebra Girl
Damit fing wieder alles an. Dieses Comic läuft seit 2000 und ich habe wohl es wohl nur ein oder zwei Jahre später entdeckt. Entsprechend kurz war wohl auch die Lesezeit, weshalb ich nicht sagen kann, warum mich gerade dieses wieder interessierte.
Sandra Northlake wird durch ein magisches Missgeschick ihrer Mitbewohner in eine schwarz-weiß gestreifte Dämonin verwandelt. Was mit kurzweiligen Episoden-Gags beginnt, verwandelt sich schon sehr bald in eine tiefschwarze Komödie und wird über die Jahre hinweg immer schwärzer, als Sandra nicht nur mit der menschlichen Gesellschaft, vor der sie sich verbergen muss, und anderen dunklen Mächten in Konflikt gerät, sondern auch beginnt ihre eigene unheilvolle Natur auszuleben.
Die Charactere umfassen neben Sandra ihre Mitbewohner Crystal (etwas beschränkt, aber der Fuß in der Tür zur Realität), Jack (Perversling und Erzmagier, “Jack der Karierte, der Flanellträger”), Sam Sprinkels ( Film-Noir Zeichentrickhase mit leichtem Alkoholproblem) und Wally (Crystals Freund und feiger Werwolf).
Die einzelnen Kapitel dieses Comics gehen teilweise, aufgrund des nur zweiwöchigen Erscheinens über Jahre. Jenes, das im November abgeschlossen wurde, fing beispielsweise 2006 an. Entsprechend wohldurchdacht und interessant ist auch der Plot, der sich weit von der witzigen, etwas düsteren, Action des Anfangs entfernt hat.
Auch die künstlerische Qualität des Comics nimmt über die 13 Jahre gewaltig zu. Die Zeichnungen waren nie schlecht und entwickeln sich darum zu wahren Kunstwerken.
Subnormality
Dieses Comic ist schwer zu beschreiben. Im Grunde handelt es sich um ein episodisches Gag-Comic mit nur sehr wenigen längeren Plotlinien, die lose mit den immer wiederkehrenden, oft namenlosen Characteren zusammenhängen. Am besten lässt es sich wohl als Gegenstück zu xkcd beschreiben: Die einzelnen Strips sind häufig sehr lang, groß, aufwendig gestaltet, enthalten seitenweise Text und handeln so gut wie nie von Naturwissenschaften. Dabei befasst sich der Inhalt meist mit sehr existenziellen Themen, Ansichten zur Gesellschaft und sehr gut verträglichem Feminismus. Meistens. Manchmal werden auch solche Sachverhalte behandelt, wie dass eigentlich sehr viele Anschläge von Zeitreisenden auf Hitler verübt worden müssten sein. Oder wie sich menschenfressenden Monstrositäten in Vororten am Besten ernähren.
Es ist häufig wirklich keine einfache Lekture und man ertappt sich schnell dabei, wie man den einen oder anderen Strip überspringt. Das macht nichts, denn so entdeckt man bei jedem neuen Lesen wieder etwas unbekanntes.
Doc Rat
Dr. Benjamin Rat ist Allgemeinarzt in Australien und kümmert sich um die Gebrechen aller möglicher Tiere. Ich weiß nicht, wie ich auf diesen Comic gekommen bin und länger dabei geblieben bin, aber es hat sich gelohnt. Das ganze fängt als Gag-Comic ohne größere Plotlinien an und wurde in diesem Muster, wie ich gelesen habe, auch öfter in australischen Ärztezeitschriften abgedruckt. Später fangen dann einige humoristische Geschichten an, wie die Einstellung einer Löwin als Firmenberaterin, die das Personal (eine Gazelle und eine Häsin) in Angst und Schrecken versetzt und als Dr. Rat ein Zahn ins Gehirn zu wachsen droht (ein typisches Problem bei Ratten). Erst jedoch, als der Doktor danach eine Beziehung mit eben dieser Zahnärztin, Dr. Daniella Hood beginnt, fängt der Comic an ernsthafter zu werden, denn… in einer Gesellschaft mit Fleisch- und Pflanzenfressern, woher kommt da das Fleisch? Und wie kann es Beziehungen zwischen Jägern und Beutetieren geben?
Letzteres wird an der Liebe zwischen der Häsin Jaz und dem Wolf Flopsy Jägermond beschrieben, die auf Ereignissen basiert, die vergleichsweise grässlich sind. Gleichzeitig kommen auch andere ernsthafte Sachverhalte, mit denen ein Allgemeinarzt wohl auch im richtigen Leben zu tun haben kann, wie etwa alltäglicher Gewalt oder zerbrochenen Familien
Erfrischend ist, dass die Comics alle Nase lange wieder für einige Folgen zu ihrem Gag-Format zurückkehren und leichteren Humor liefern. Die Zeichnungen sind sehr schöner und solider Comicstil, der auch über die Jahre wesentlich routinierter wird.
Im übrigen heißt einer der Nebenbuhler Bens in Sachen Daniella Willard.
Lackadaisy
Die Zeichnungen dieses Comics sind noch aufwändiger als jene von Subnormality – entsprechend langsam erfolgen auch die Updates. Ich finde das ist immer eine der wichtigsten informationen, denn wer liest schon gerne eine Geschichte, auf deren Ende man Jahre warten muss (Seitenhieb, Herr Martin)?
Die Geschichte handelt von einen Speakeasy, also einer illegalen Kneipe der Prohibitionszeit, im New Orleans der 20er Jahre, wobei alle Charactere als Katzen dargestellt werden. Die Geschichte ist relativ geradlinig und zieht ihren Charme und Humor aus den wunderbar skurrilen Characteren, wie dem komplett manischen Hauptcharacter Rocky, seinem bis auf sein schießwütigen „Momente“ gutmütigen Cousin Freckle, der unnahbaren Mitzy May oder dem kaltblütigen Mörder Mordecai Heller, der unter Zwangsneurosen leidet.
Man kann extrem viel Klamauk in einer im Grunde tragischen Story erwarten – so wie es in den meisten Webcomics brauch ist, aber hier wird es künstlerisch und auch erzählerisch auf die Spitze getrieben. Leider denkt man sich nach jedem neuen Update, dass nun wohl gar nichts mehr vorwärts gehen wird.
Sorcery 101
Nachdem ich irgendwo aufgehört habe zu lesen, musste ich feststellen, dass dieses Comic mich eigentlich relativ wenig beeindruckt hat. Die Konstellation ist recht interessant: Der Hauptcharacter ist Geschichtslehrer, Zauberschüler und im Blutbund mit einem Vampir. Dieser Vampir ist nicht nur einer der mächtigsten überhaupt und der einzige, der ungestört am Tag herumwandeln kann, er ist auch noch ein ziemliches Arschloch. Aus diesem Grund ist er wohl auch nur ein Nebencharacter.
Die meisten Geschichten sind in recht kurze Kapitel unterteilt und erzählen von den Konflikten magischer Wesen (tollpatschige Werwölfe, zickige Magier, pendantische Engel) in einer Welt, die unserer ähnlich ist, nur dass Magie so ganz nebenbei bekannt ist, aber wohl nicht sehr ernst genommen wird.
Updates sind sehr regelmäßig, aber es konnte mich nicht fesseln. Zwar steckt der Hauptcharacter in einer starken ethischen Zwickmühle, aber irgendwie wird nichts daraus gemacht. Probleme lösen sich dort einfach zu schnell – und es ist häufig zu ernst.
Endtown
Eigentlich hat man mich dauernd mit der Nase in dieses Comic gedrückt, doch bin ich dauernd daran vorbeigelaufen. Allein der Stil stellt dieses Meisterwerk auf eine ganz eigene Stufe. Er erinnert mich sehr stark an André Franquin oder andere Belgier seines Kalibers.
Nachdem eine mutagene Seuche über den Planeten gerollt ist, wurde im dritten Weltkrieg durch den Einsatz von sogenannter Amesworth-Strahlung fast sämtliche organische Materie zu feinem Staub zerblasen. Es gibt nur wenige überlebende. Zum einen sind da jene, die von der Seuche in schreckliche, vieläugige Monstren verwandelt wurden und sich nun auf der Suche nach Nahrung durch den Staub graben. Dann gibt es die „Topsiders“, wie sie von anderen genannt werden, die letzten normalen Menschen, die es niemals wagen, ihre weißen Schutzanzüge zu verlassen oder die Gasmasken abzulegen. Sie haben die menschliche Technologie in die Endzeit mitgenommen und setzen sie hauptsächlich dazu ein um Mutanten zu töten und so die Seuchenträger auszulöschen. Und zu guter Letzt gibt es die glücklicheren Mutanten. Unter ihnen gibt es einige wenige immune Menschen, ansonsten sind sie „Anthros“, also antropomorphe Tiere. Eine ihrer großen Kolonien ist Endtown, eine gewaltige, unterirdische Vorstadt.
Im ersten Teil begleitet Albert Anderson (ein immuner Mensch) seine Verlobte Gustine Greene (ein 300-Kilo Rhinozeros mit entsprechend unaufhaltsamen Zorn) auf eine im Reise ins Ödland wobei sie der Wurzel der Apokalypse näher kommen. Man muss zugeben, dass Albert ein wenig blasser Tintin-Charakter ist, neben dem die konfliktgeladene Gustine glänzen kann. Der zweite Teil fokussiert auf den Kater Wally Wallechinsky, der nachdem bei seiner Rettung vor den Topsidern zwei Mutanten getöten wurden, sein Leben nicht mehr genießen kann und zusammen mit seiner Freundin, der Maus Holly Hollister, der Sicherheitschefin von Endtown Philomena Flask und einem Roboter auf eine Mission gegen eine Raketenstellung der Topsider aufbricht. Wally und Flask sind tief gebrochene Charactere – und auch Holly, wie sich sehr spät zeigen wird.
Wie auch bei anderen Comics, sind die späteren Kapitel düsterer, auch wenn der Einstige bereits vor schwarzen Humor trieft. Der Witz bleibt sich später selbst im Halse stecken, auch wenn er noch da ist. Der Autor schreckt bei weitem nicht davor zurück, den Charakter seiner Figuren im Lauf der Geschichte durch Traumata zu ruinieren.
Wer noch keine Onlinecomics gelesen hat, dem rate ich hier anzufangen. Endtown hat im Gegensatz zu Zebra Girl keine lange Anlaufphase, in welcher der Autor seinen Fokus erst finden muss und bekommt auch nicht erst, wie Doc Rat, erst sehr spät eine durchgehende Geschichte. Der Einstieg ist hier recht leicht und man bekommt sehr schnell ein gutes Gefühl für die Atmosphäre.
So, jetzt sollte ich sehen was aus den anderen alten Comics geworden ist: Goodbye Cruel World, Bruno the Bandit, Black Tapestries und so weiter…